werk2-photographie/Stefan Weigelt

Fulda, 13. und 14. Oktober 2022

1.Fachkolloquium "Bioökonomie in den Mittelgebirgen" 2022

Zum Auftakt des 1.Fachkolloquium "Bioökonomie in den Mittelgebirgen - Stärkung von land- und forstwirtschaftliche Wertschöpfungsketten in den Mittelgebirgen" begrüßte die damalige parlamentarische Staatssekretärin Dr. Manuela Rottmann die Teilnehmenden mit einer Videobotschaft. Sie betonte die bedeutende Rolle der Mittelgebirge für eine zukunftsorientierte Land- und Forstwirtschaft im Sinne der Bioökonomie.

 

Der Ideenwettbewerb und die Nationale Bioökonomistrategie

Der Geschäftsführer des DVL, Dr. Jürgen Metzner, berichtete, wie 2020 der "Ideenwettbewerb Bioökonomie in den Mittelgebirgen Deutschlands" aus der Mittelgebirgsstrategie 2030 entstanden ist. Der Wettbewerb richtete sich an land- und forstwirtschaftliche Betriebe, deren Wertschöpfung auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Mittelgebirge sollen ökonomisch weiterentwickelt werden, Arbeitsplätze in der Region sichern und eine Perspektive für junge Meschen schaffen.

Jörg Lotz vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft  referierte zur Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie. Diese birgt Chancen und Potentiale. Beispiele erläuterten den Einsatz von heimischen biogenen Rohstoffen, die in der Industrie verarbeitet werden. Löwenzahn-Kautschuk wird zur Herstellung von Fahrradreifen eingesetzt. Eine Bioraffinerie verwendet Holz als Rohstoff, andere Unternehmen verarbeiten Stroh zu Bioethanol. In Deutschland soll der Anteil der Bioenergie bis 2030 auf über 50 % steigen. Über andere Stoffströme sollen Bioabfälle und Grünschnitt einer Nutzung in Chemie, Pharmaindustrie, Energie zugeführt werden. Das Potential für die Landwirtschaft ist groß und die Wertschöpfung für biogene Stoffe steigt. Flankierende Faktoren sind der Klimaschutz, Ökologisierung, Verringerung des Nutztierbestandes und die Kohlenstoffspeicherung. Ernährungssicherung, Klimaschutz, Biodiversität, kann durch standortangepasste Vernetzung von Schutz- und Nutzgebieten unter Einbeziehung von Agro-Forst-Systemen gelöst werden. Bioökonomie leistet einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation und kann zur Defossilisierung und Dekarbonisierung beitragen kann. Politisch wird das Thema weiterverfolgt.

Erste Ergebnisse zu den Potentiale der Bioökonomie in den Mittelgebirgen Deutschlands präsentiert

Die Abgrenzung der Mittelgebirge stellte Dr. Andrea Früh-Müller von der Forschungsgruppe Agrar- und Regionalentwicklung Triesdorf GbR (ART) dar. 38 % der Fläche Deutschlands wird als Mittelgebirge bezeichnet. Wertvolle Kulturlandschaften, große Rohstoffpotentiale und artenreiche Naturräume charakterisieren die Mittelgebirge. Als Ungunstlagen werden sie aufgrund von steinigem oder flachgründigen Boden, Steilheit oder kühlem Klima eingestuft.  Die Verkehrsanbindung ist eher schlecht. Mittelgebirge sind waldreich und haben prozentual mehr Grünland als Gebiete außerhalb der Mittelgebirge. Das birgt ein großen bioökonomisches Potenzial. Viele Schutzbebiete liegen in den Mittelgebirgen.

Den ländlichen Raum stärken!

Frank Wagener vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) informierte über die Stärkung des ländlichen Raums in Bezug auf Bioökonomie.  Er betont, dass es wichtig ist, Stoffströme regional und nachhaltig zu denken, um Regionen ressilient zu gestalten. Durch die Preissteigerung bei Energie gewinnen regionale, biobasierte Wirtschaftsweisen an Attraktivität. Kooperationen innerhalb des ländlichen Raums als auch Partnerschaften zwischen ländlichem und städtischem Umfeld bieten Lösungen. Bei der Erschließung von Ökosystemleistungen sind immer Klima- und Wasserschutz und Biodiversität zu berücksichtigen. Handlungsspielräume für die Bioökonomie finden sich in der Substitution rohölbasierter Produkte, dem Ersatz biobasierter Produkte und in der Entwicklung neuer Produkte.

Große Potentiale sind im Waldreichtum der Mittelgebirge zu sehen. Der Klimawandel verändert die Vegetation, so dass viele Wälder in den Mittelgebirgen einen hohen Totholzanteil aufweisen. Neben dem dringenden Umbau des Waldes zu einem klimaresilienten Mischwald bietet der Rohstoff Holz ein enormes Potential. Hinsichtlich der Freisetzung von CO2 ist ein besonderes Augenmerk auf die Verwertung des Totholzes zu legen.

Die neun Sieger des Ideenwettbewerbs wurden geehrt. Erstmalig wurden die Videos der Sieger der Öffentlichkeit präsentiert.

Ehrung der Siegerideen 2021

Am Abend des 1.Tages wurden die neun Sieger des Ideenwettbewerbs  geehrt und erhielten die Möglichkeit, ihre Betriebe und Ideen vorzustellen. Drei Betriebe wurden zusätzlich mit einem Film präsentiert.

Podiumsdiskussion : Wie können wir die Potentiale der Bioökonomie in der Praxis erschließen?

Bei der Podiumsdiskussion lag der Schwerpunkt auf den Bedingungen, die geschaffen werden müssen, um das bioökonomische Potential in der Praxis zu erschließen. Wichtig war den Teilnehmenden, die Erzeuger in die Wertschöpfung einzubinden, über die Rohstofflieferung hinaus. Menschen, die die Vernetzung und Kooperationen leiten sind notwendig, da Landwirten allein meist die Kapazität fehlt. Die Stoffströme sollten so regional wie möglich fließen.

Diskussionsteilnehmer waren  Dr. Beatrix Tappeser, Dr. Susanne Wüst, Frank Wagener, Heinrich Meusel

 „Wieviel Innovation verträgt unsere Welt?“ war die einleitende Frage. Hier wurde schnell herausgearbeitet, dass Ideen nachhaltig und sinnvoll eingesetzt werden müssen. In vielen Branchen ist eine Umsetzung im Sinne der Bioökonomie möglich. Landwirtschaftliche Betriebe wirtschaften individuell und jeder Landwirt muss Ideen finden, die zu ihm und der Betriebsstruktur passen.

Während der Diskussion wurden folgende Handlungsfelder identifiziert:

  1. Förderbedingungen müssen den Gegebenheiten angepasst und bundeslandübergreifend vereinheitlicht werden (Spielraum für spezifische Anforderungen erhalten). Förderungen im ländlichen Raum müssen besser kommuniziert werden - oft sind diese den Landwirt*innen nicht bekannt. Zu dem muss mitgedacht werden, dass viele Landwirt*innen im Nebenerwerb wirtschaften.
  2. "Kümmerer" sind unverzichtbar als Ideensammler, Ansprechpartner und Unterstützer bei Umsetzung von Projekten in der Region. Aufgrund des hohen Arbeitspensums fehlt Landwirten*innen häufig Zeit für Um- oder Weiterplanung des Betriebs oder Zeit, um Projektmöglichkeiten abzuwägen. (vgl. Siegeridee Gemeinschaftsbiogasanlage). Es braucht Personen/Institutionen, die die Beratung und Fördermöglichkeiten überblicken und entsprechen der Betriebsstruktur Landwirte beraten. Hier könnte auch eine Datenbank mit Ideen und Ansprechpersonen für Betriebe unterstützen, die sich diversifizieren wollen.
  3. Die Ausbildung von Land- und Forstwirt*innen braucht Veränderungen. Die Themen Vermarktung, Diversifizierung, Kooperationsmöglichkeiten fehlen derzeit in der Ausbildung. Zukunftsorientierte Lehrinhalte müssen vertiefend über Wertschöpfungsketten, die über den „normalen“ Verkauf von Feldfrüchten, Milch und Tieren hinausgeht, informieren.
  4. Eine Netzwerkes zum Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis muss aktiv gefördert werden, um praxistaugliche Entwicklungen/Produkte voranzubringen. Bestehende Netzwerke zum Thema „Bioökonomie“ und „ländliche Entwicklung“ können genutzt und erweitert werden. Viele Ideen und Herangehensweisen sind bereits erprobt. Erfahrungen kommunizieren, um passende Lösung zu finden.
  5. Dörfer müssen als regionale Einheiten weiterentwickelt und bei Vergaben von Bauprojekten, z.B. Photovoltaik-Anlagen, gegenüber externen Anbietern vorgezogen werden. Dies führt zur Stärkung der heimischen Wirtschaft und schafft Akzeptanz des Projektes innerhalb der Region. Projekte können z.B. mit Hilfe von regionalen Genossenschaften umgesetzt werden.
  6. Konfliktpunkt: Energie - Lebensmittel
    Es muss ausreichend Fläche zur Ernährung bereitstehen. Die Flächenkonkurrenz ist ein gesellschaftliche und politische Frage: wieviel Nahrung bzw. Energie soll regional erzeugt werden. Energieproduktion in den ländlichen Raum zu holen, bietet die Möglichkeit, Betriebe zu diversifizieren und einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Hierfür sollten diese Energiekonzepte bevorzugt als Gemeinschaftsanlagen mit der Bevölkerung und den Betrieben vor Ort realisiert werden. Dies stärkt die Wirtschaft vor Ort.
zurück nach oben

Copyright 2024 | Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V.